Gertraude Hasselbach und Klaus Schneider | Ausstellung im Bellevue-Saal Wiesbaden

Gertraude Hasselbach und Klaus Schneider

Ist mir bekannt, dass ich sehe? (Wittgenstein)

16. Mai bis  2. Juni 2002
Gertraud Hasselbach, Wiesbaden | Klaus Schneider, Frankfurt | 
Objektkunst, Malerei

„Ist mir bekannt, dass ich sehe?“ Unter dieser Fragestellung von Ludwig Wittgenstein ist die gemeinsame Ausstellung von Gertraud Hasselbach und Klaus Schneider im Bellevue-Saal zu sehen. Zwei, denen es um die Sprache geht und wie man sie sehen kann, verfügen hier über den Raum.

Von weither gesehen macht die Plastik der Wiesbadener Künstlerin Gertraud Hasselbach den Eindruck einer Zeichnung. Trotz ihres großen Formates erweckt die filigrane, blaue Linie die Assoziation, in der zweiten Dimension geschaffen zu sein. Doch tritt der Besucher näher hinzu, entfaltet sich die dritte Dimension des Gebildes, das im Ursprung ein Buchstabe gewesen ist. Gertraud Hasselbach wurde 1946 in Bad Schwalbach geboren. Mit fotografischem Blick liest sie aus den Wörtern, dem einzelnen Buchstaben, neue Dimensionen heraus und setzt sie in Raum greifende „Zeichnungen“ um. So wird der Buchstabe in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, aufgeblättert und entfaltet. Das „B“, das dem Betrachter nun vor Augen kommt, ist zwar noch ein konkreter Buchstabe, gewährt aber dem Bewußtsein Einblick in sein volles Ausmaß.

Wirklich in die Fläche gehen dagegen Klaus Schneiders Streitschriften für das Unsichtbare. Sich mit dem Verhältnis von Wahrnehmung und Sprache auseinandersetzend, ist der Frankfurter ein fragender Maler. Schneider bedient sich der Braille-Schrift, um den Eigenheiten und den Beschränkungen der Sprache auf den Grund zu gehen. Mit den Augen die Buchstaben der Blindenschrift abtastend, die nuancierten Abtönungen der monochromen Hinterglasmalereien entdeckend, gerät der Besucher in ein Nachdenken über die Herrschaft der visuellen Erfahrung. Bei der Frage „Wer sieht denn heute noch hin?“ gerät er aber schon in einen Konflikt.Wir glauben, was wir sehen – Schwarz auf Weiß. Doch was bleibt uns zu glauben, wenn das, was wir sehen, ganz offensichtlich so nicht zu begreifen ist? Wie selbstverständlich wir gewohnt sind, die Welt über die Augen zu erfassen, wird erst klar, wenn wir aus Unkenntnis des Systems hilflos und unverständig vor den Sätzen stehen. Selbst, wenn wir sie befühlten, könnten wir sie nicht lesen.

Andrea Springer
im Wiesbadener Tagblatt vom 24.5.2002

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