Lisette Verkerk: Wenn ich ein Vogel wär 1 | Ausstellung im Bellevue-Saal Wiesbaden

Lisette Verkerk: Wenn ich ein Vogel wär 1

Wenn ich ein Vogel wär | Ausstellung Stipendiatin

20. November bis 14. Dezember 2003
Lisette Verkerk, Utrecht | 
Zeichnung, Objektkunst

Stipendiatenausstellung

Das Lebensthema in Lisette Verkerks künstlerischem Werk kennt viele Formen und nimmt seinen Weg meist über den menschlichen Körper. Da ist zunächst und ganz klassisch der Akt: Fast deckenhoch, schmal und nackt auch in der rahmenlosen, mit ein paar Nadeln an unterschiedliche Wände gepinnten Präsentationsform scheinen zwei merkwürdig gesichts- und trotz des Titels „Adam und Eva“ auch geschlechtslose Menschengestalten in Auflösung begriffen. In tropfender Nässe regelrecht auslaufende Farbe und Papierbahnen, die über die Fußleiste hinaus auf den Boden des Bellevue-Saals ragen, sollen diesen Effekt des Zerfließens offenbar unterstützen. Verkerk ist Stipendiatin des den Bellevue-Saal betreibenden Vereins. Anders als so mancher ihrer Vorgänger hat die 1973 geborene Niederländerin in dieser Zeit auch wirklich in Wiesbaden gearbeitet und präsentiert in der abschließenden Ausstellung nun einzig die während dieses Aufenthalts entstandenen Werke.

Der Komplexität und Vielschichtigkeit ihres Themas entspricht, dass Lisette Verkerk nicht festgelegt ist auf Technik und Material. So bleibt sie auch flexibel, um auf neue Arbeitsbedingungen wie im Kunsthaus reagieren zu können. Denn es wäre zu aufwändig gewesen, den für ihr Schaffen typischen Kautschuk zu verarbeiten, aus dem sie im Sinne einer zweiten Haut unter anderem Körperteile abformt. In Wiesbaden griff sie zu „schnelleren“ Materialien wie Papier, Styropor und Tusche.

Spannungsvoller als die beiden Akte, die schlichte handwerkliche Mängel offenbaren, weil sie skulptural wirken wollen, dies aber nicht tun, erscheint eine Reihe kleiner, kräftig farbiger und doch zart gezeichneter und Fruchtbarkeit signalisierende Pflanzenzeichnungen. Verkerks nur vermeintlich wissenschaftlicher Blick auf Blütenformen und Wurzelverzweigungen berührt eine tiefere, existentielle Ebene. Bizarre und im Verhältnis zur unschuldig schönen Blüte überdimensionierte Wurzelverflechtungen entsprechen keinem natürlichen Vorbild. Es sind Adern, durch die das Leben fließt.

Dann wieder bricht sich Lisette Verkerks Thema in kleinen Objekten aus Papier und Folie Bahn. An der Wand lassen ihre Formen Assoziationen zu, die zwischen Rohrschach-Tests und Gebärmüttern oszillieren. Frei im Raum schwebende, auf den ersten Blick amorph geformte Pendants tun von Ferne spielerisch und heiter wie Mobiles. Bei näherem Hinsehen indes geben sich Umrisse von Embryos zu erkennen, die an symbolischen Nabelschnüren von der Decke baumeln und keineswegs nur positive Gedanken wecken, sondern auch solche anethisch fragwürdige Zusammenhänge zwischen Wissenschaft und ungeborenem Leben.

Geradezu bewundernswert frei von Berührungsangst vor dem Dekorativen geben sich schließlich Lisette Verkerks Styropor Herzen, deren warzenhafte Oberfläche aus rotgefärbten Wattekügelchen den kleinen Wandobjektchen nichts von ihrer gefälligen Ästhetik nimmt.

Katinka Fischer
im Wiesbadener Kurier vom 25.11.2003

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