Josef Bücheler: Heimspiel 1 | Ausstellung im Bellevue-Saal Wiesbaden

Josef Bücheler: Heimspiel 1

Heimspiel

6. März bis 30. März 2003
Josef Bücheler, Rottweil | 
Skulptur

(...) „Heimspiel“ hat Bücheler die Schau genannt. Im Zusammenhang damit sind zwei Dinge bemerkenswert. Es handelt sich um die erste größere Werkpräsentation in der Heimat des Künstlers. Reichlich spät umgarnt Wiesbaden den verlorenen – seit Jahrzehnten in Rottweil ansässigen – Sohn. Verblüffender noch ist, was Bücheler zeigt. Angesichts seiner Skulpturen und Papierarbeiten staunt man nicht schlecht: Die könnten geradewegs aus dem Atelier eines „jungen“ Kollegen kommen. Da ist sogar nichts alt und abgeklärt. Und selbst wenn Bücheler – in seiner Installation Rottweiler Fronleichnam, einer Hommage an den Brauch auf der Schwäbischen Alb – mit toten Bäumen arbeitet, wirkt das keck.

Alt ist allein das Altpapier, das er verwendet: Werbebroschüren und Zeitungen werden in großen Mengen zu Kunst recycelt. Bevorzugt ummantelt Bücheler sein Ausgangsmaterial mit leimgetränkten Papieren. Erst im Laufe des Trocknungsprozesses bildet das Kunstwerk dann seine endgültige Gestalt aus, ohne dass er weiter eingreifen würde.

Dabei verwendet der Bildhauer, der seit rund zwanzig Jahren Baumobjekte im öffentlichen Raum, in Museen und Kirchen realisiert, konsequent Naturprodukte als Kunst-Stoff. Erde, Asche, Kalk und Papier sind neben Weidenzweigen oder Birkenstämmen die wesentlichen Materialien des gelernten Tapezierers und Polsterers, der eigentlich das väterliche Geschäft in Wiesbaden hätte übernehmen sollen.

Von Anfang an war ihm „die Reduktion von Form und Material wichtig“. Die Lust am Zurücknehmen reicht manchmal bis zur Schwelle ostasiatischer Ästhetik. Nichts ercheint bei Bücheler, der über die Begegnung mit indischem Bambus während eines Entwicklungshilfeprojekts in Bangladesch zu deutschen Weiden fand, lastend und schwer, nicht einmal seine ausladenden Wand- und Bodenarbeiten. Insbesondere die Formbarkeit der Weiden sorgt für den elastischen Eindruck.

Die Bildgestalt ist oft metaphorisch mehrdeutig. Zu Fächer- oder Drachenformen neigt Bücheler, zu Flügelformen oder Fahnen, wenn er nicht sogar – mit von der Decke baumelnden Papieren – so tut, als sei’s ein Küchentuch, was er da mit offenbar leichter Hand formt. Die Illusion von sanfter Brise und reizender Bewegtheit ist es, um die er sich kontinuierlich bemüht. Meisterhaft versteht er es, seine zumeist in aschiges Grau gewandeten Skulpturen kontemplativ anzulegen.

Bücheler ist ein religiöser Mensch. Mit Anfang zwanzig entschloss er sich zum Noviziat in einer Benediktinerabtei. Er verfasst auch Gedichte. Parallel zu seinen teils raumfüllenden Werken produziert er Papierarbeiten, die er „Zeichnungen“ nennt. Eher sind es Objekte. Sie bestehen aus mehreren Lagen Büttenpapier, das Bücheler aufschlitzt und mit lanzettartigen Strukturen in Grafit belebt: Extrem verräumlichte Fontanas? Lucio Fontana, der vor mehr als fünfzig Jahren die Leinwand als plane Fläche attackierte und das Concettospaziale erfand, fällt einem ebenso ein wie die aufgeworfene Oberflächengestalt von Hölzern und Rinden. Schlussendlich bleibt er es, der über Büchelers Kunstwacht: sein Freund, der Baum.

Dorothee Baer-Bogenschütz
in der Frankfurter Rundschau vom 20.3.2003

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