Hildegard Esslinger: Linien 1 | Ausstellung im Bellevue-Saal Wiesbaden

Hildegard Esslinger: Linien 1

Linien

18. Januar bis 28. Januar 2001
Hildegard Esslinger, Stuttgart | 
Zeichnung, Installation

Kunst liegt auf der Straße. Was andere mit Füßen treten, wird bei Hildegard Esslinger Teil ihrer poetischen kleinen Bilder: Markierungsstreifen, Gullydeckel, Pfützen, Öllachen und Papierfetzen holt die Stuttgarter Malerin mit zartem und völlig unkonstruktivem Kreidestrich aus der Bedeutungslosigkeit. „Linien“ heißt die aktuelle Ausstellung der 62-jährigen Malerin im Bellevue-Saal.

Die gebürtige Danzigerin, die erst 41-jährig mit einem Malerei-Studium an der Stuttgarter Akademie begann, zeichnet auf Asphalt. Da machen drei wackelige Dreiecke ein konkretes Stück Zebrastreifen zu einem geheimnisvollen Zeichen, windet sich ein Linienpaar in Ohrformum ein weggeworfenes Papiertaschentuch, wiederholt der amöbenhaft amorphe Kringel die Form einer Lache. Dem Vorhandenen fügt Esslinger zerbrechliche Strichlein hinzu, die sich hier und da auch mal zur kleinen geometrischen Fläche verdichten. Bei aller Feinheit haben die Linien doch so viel Kraft, dass sie Bedeutungs- und Nutzlosem die Zufälligkeit nehmen und neue Gestalt geben können. Esslingers Objets trouvés hängen natürlich nicht in natura an den Wänden des Bellevue-Saals, sondern in Form von knapp Din-A4 großen Fotos. Was die Bilder noch lange nicht zur Foto-Kunst macht. Die Kamera dient allein zur Bewahrung des Vergänglichen. Neuen Wert erhält auf diese Weise auch der Bilduntergrund: Esslinger zeigt, dass Asphalt überraschend viele Farben haben und dunkeltaubenblau, anthrazit oder braun-bunt-gesprenkelt schimmern kann. Außerdem gibt die körnige Beschaffenheit den zweidimensionalen Kompositionen Struktur und Tiefe.

Es sind im Bellevue-Saal noch zwei weitere Werkgruppen von Hildegard Esslinger ausgestellt. Ganze Linienbündel strömen über das japanpapierne Eierschalenweiß von zehn Folianten und geben ihre Verwandtschaft mit den Asphaltzeichnungen deutlich zu erkennen. Gar nicht so wesensfremd, wie sie zunächst scheinen, sind die leuchtend farbigen Ölbilder. Auch sie thematisieren die Linie, die in die Fläche dringt, sie durchschneidet oder umgibt. Fern jeglicher Strömung und von größter Eigen-Art gefallen am meisten aber die kleinen poetischen Kreidebilder.

Katinka Fischer
im Wiebadener Kurier vom 20.1.2001

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