Surplus

21. November bis 22. Dezember 2019
Jeronimo Voss, Frankfurt am Main | 
Installation, 2019

Surplus

Ausstellungseröffnung: Donnerstag, 21. November 2019, 19.00 Uhr. Einführung: Andrea Caroline Keppler, Kuratorin, District Berlin

Künstlergespräch: Samstag 14. Dezember, 16.00 Uhr
Finissage: Sonntag, 22. Dezember, 16.00 Uhr

Jeronimo Voss ist der derzeitige Stipendiat des Kunstverein Bellevue-Saal.

In der Ausstellung SURPLUS widmet er sich der Überschussproduktion im gegenwärtigen Bauboom des Rhein-Main-Gebiets. Ausgangsmaterialien für seine Installation findet Voss sowohl in gegenwärtigen Baustellenkonstruktionen und Architekturansichten seiner städtischen Umgebung wie auch in Filmfragmenten der Avantgarde-Künstlerin Ella Bergman-Michel, die in den frühen 1930er Jahren innerhalb der Gruppe „Das Neue Frankfurt“ die Arbeitsgemeinschaft für unabhängigen Film gründete.

Derzeit erwartet Frankfurt am Main den Brexit-Boom und investiert darin, London als europäisches Finanzzentrum abzulösen. Überschüssiges („Surplus“)-Kapital – das immer weniger profitable Anlagemöglichkeiten in der Produktion findet – trifft hier, im Immobiliensektor der wetteifernden Zentren, auf einen steigenden Überschuss an prekären Arbeitskräften. Gemeinsam errichten dieses Surplus an Kapital und Arbeit ein dichtes Gefüge neuer Hotels, Büroflächen und hochpreisiger Wohntürme. Aktuell werden in Frankfurt am Main 33 neue Hochhäuser gebaut, maßgeblich von sogenannten Wanderarbeitern, die in einfachsten Sammelunterkünften außerhalb des Zentrums leben. Dabei wiederholen Architektur-Renderings auf Bauzaunplanen die immer gleichen Versprechen auf Erneuerung und verkleiden zugleich die hindurch schimmernde Realität prekärer Arbeitsverhältnisse, steigender Mieten und ungenutzter Leerstände.

Jeronimo Voss übersetzt dieses Material in eine narrative Installation, die sich mit dem Verhältnis von Zentrum und Peripherie, Aufwertung und Ressource, Vorder- und Hintergrund sowie Gegenwart, Zukunft und Geschichte auseinandersetzt. In der Ausstellung SURPLUS konstruiert Voss optische Silhouetten in Meshnetz-Vinyl. Bilder, Notizen und Satzstrukturen kommentieren computergenerierte Architekturmodelle, Fotografien und filmische Fragmente auf der Suche nach lebens- und alltagsfähigen Zusammenhängen in der städtischen Gegenwart.

Jeronimo Voss

Jeronimo Voss lebt und arbeitet in Frankfurt am Main. Er absolvierte 2009 sein Studium der Bildenden Kunst an der HfBK Städelschule in Frankfurt am Main. In seiner künstlerischen Praxis entwickelt er zumeist recherchebasierte Rauminstallationen.

Seine jüngsten Projekte wurden in einer Vielzahl von Einzel- und Gruppenausstellungen präsentiert: u.a. Galeria Boavista Lissabon (2018), Bundeskunsthalle, Bonn (2018), FACT Liverpool (2017), Museum für Neue Kunst in Freiburg (2017), Stedelijk Museum Bureau Amsterdam (2016), Clark House Initiative Bombay (2016), Haus der Kulturen der Welt in Berlin (2015), Der Tank Basel (2015), Bielefelder Kunstverein (2014), Wiener Sezession (2013), Museum für Moderne Kunst Frankfurt am Main (2013).

Im Jahr 2012 hat Voss an der documenta 13 in Kassel teilgenommen.

Jeronimo Voss ist Mitglied der Realism Working Group, die seit Sommer 2019 an der Einrichtung des SYNNIKA.space, einen experimentellen Raum für Theorie und Praxis im Frankfurter Bahnhofsviertel, beteiligt ist.

Seit 2016 unterrichtet Voss Installation und zeitbezogene Medien am Institut Kunst der HGK FHNW Basel.

 

In der Ausstellung SURPLUS im Kunstverein Bellevue-Saal zeigt Jeronimo Voss folgende Installationen:

Surplus Park, 2019

Material: Latexprint auf Meshnetz-Vinyl und UV-Direktdruck auf Polyestergewebe, Scheinwerfer, Bewegungsmelder, Stahlrohrgerüst 4x4x2m, sieben Bauzäune 2,2x2m.
Jeronimo Voss nutzt die durchlässige Gewebestruktur von Bauzaunplanen (Meshnetz-Vinyl), um durch räumliche Installation und Hinterleuchtung optische Silhouetten und Überblendungen zu konstruieren. Ein Stahlrohrgerüst mit über Kopf befestigten Baustellenzäunen bilden Jeronimo Voss’ „Surplus Park“ (2019). Die charakteristischen Bauzaunplanen an den Zäunen sind mit Fotografien von Baumkronen bedruckt. Bei Annäherung lösen Radar-Bewegungsmelder das Licht von Scheinwerfern aus, wie sie zur Absicherung von Privatgelände eingesetzt werden. Das Scheinwerferlicht gibt den Blick frei auf hinter der Fotografie liegende Textfragmente, die entlang von Ästen und Stämmen durch die Bäume schimmern. Die fragmentarischen Wort- und Satzstrukturen beziehen sich dabei auch inhaltlich auf Fragen, Beobachtungen und Ökonomien der Stadtentwicklung.

Surplus Hinterland, 2019

Material: Latexprint auf Meshnetz-Vinyl und UV-Direktdruck auf Polyestergewebe, Acryglas, LED-Hinterleuchtung, Bewegungsmelder.
In „Surplus Hinterland“ (2019) zeigen zunächst idealisierte Fensteraussichten zweier Hochhäuser den Ausblick in das weite Hinterland von Frankfurt am Main. Bei Annäherung löst eine Hinterleuchtung aus und verschränkt das Vorderbild mit einer dahinterliegenden Ansicht auf eine Außenfassade: Vor einem einfach verglastem Fenster hängt ein derangierter Wäscheständer und deutet auf die beengten Wohnverhältnisse von Sammelunterkünften hinter diesem Fenster hin.

Cooking for the Unemployed, 2019

Material: Latexprint auf Meshnetz-Vinyl und Ink-Jet-Print auf Papier, schwarze Aluminiumrahmen, Stahlseil.
Fünf Bilderrahmen zeigen schwarz-weiße Standbilder des Films „Erwerbslose kochen für Erwerbslose“ (9min, 1932), gedruckt auf Meshnetz-Vinyl. Der Kurzfilm portraitiert die Arbeit einer Erwerbslosenküche und wirbt für deren Unterstützung. Er wurde von der Bauhauskünstlerin Ella Bergmann-Michel im Kontext der Gruppe „Das Neue Frankfurt“ produziert. In Jeronimo Voss Installation überblenden die Filmaufnahmen mit dahinterliegenden, idealisierten, zum Teil computergenerierten Visualisierungen aktueller Entwürfe von Küchen und Esszimmern in Frankfurter Hochhäusern. Durch jedes Filmstill schimmert dabei eine Textzeile, die an filmische Untertitel erinnert und die beiden überblendeten Ebenen kommentiert. Jeronimo Voss' Remontage dieser Filmszenen verweist so auf den wiederkehrenden Zusammenhang von Immobilienboom und ökonomischer wie sozialer Krise.

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