Haegue Yang und Frank Schylla: Zu Gast | Ausstellung im Bellevue-Saal Wiesbaden

Haegue Yang und Frank Schylla: Zu Gast

Zu Gast

5. Juli bis 22. Juli 2001
Frank Schylla, Darmstadt | Haegue Yang, Berlin, Seoul | 
Malerei, Objektkunst

Zeitgleich stellen Angeli K. und Sandra Heinz in der Kommunalen Galerie in Darmstadt aus

Sehnsüchtig wandert der Blick zum Sofa, jenem Möbelstück, das 1968 für das Interieur des „Langen Eugen“ entworfen wurde. Für die Dauer der Ausstellung „Zu Gast“ steht eines der 400 davon gefertigten Exemplare im Bellevue-Saal. Anders als sonst treffen sich dieses Mal nicht ein heimischer und ein auswärtiger Künstler beim „Vereinzur Förderung künstlerischer Projekte mit gesellschaftlicher Relevanz“. Während Angeli K. und Sandra Heinz in der Darmstädter „Kommunalen Galerie“ im Justus-Liebig-Haus gastierten, sind Haegue Yang und Frank Schylla hier mit Installationen und Malerei präsent.

Geneigt, es sich auf dem Möbel gemütlich zu machen, um sich in die großflächigen Gemälde von Frank Schylla zu vertiefen, erlebt der Besucher die Spannung zwischen Erwartung und Realität. Während Frank Schyllas Farbklänge den Blick anziehen, den Betrachter dazu bewegen, in den Bildern auf Entdeckungsreise zu gehen, stellt Haegue Yang ein Sofa komplettiert von einem Industrielager-Regal in den Raum – und damit die Frage: Was erwarte ich von einem Künstler?

Nähern wir uns der Kunst mit der Erwartung, mittels eines handgefertigten Produktes Einsichten zu erlangen, dann könnten wir uns es auf dem Sofa bequem machen und unsere individuellen Bilder in denen Schyllas suchen. Die farbigen Strukturen lassen genügend Raum zur Interpretation, auch wenn sie sich dieser gerade entziehen zu wollen scheinen. Von Ferne betrachtet drängen sich Gesichter auf die Netzhaut, wechseln mit der Illusion des Weltalls oder einer Wiese. Näher rückend zersplittern die Bilder zu Schwärmen ausgewaschener, molluskenhafter Farbpunkte.

Immer drängender wird das Verlangen, eine konkrete Wahrnehmung zu haben. Und die konkrete Wahrnehmung liegt schon auf der Lauer, denn das Sofa dient nicht dem Zweck der Benutzung. Es dient dazu, die Spannung zwischen „Verlangen und Notwendigkeit“ auszudrücken, die wie in der Kunst auch im Privaten wirkt.
Haegue Yang betrachtet Mobiliar als „Statthalter sozialer Bedingungen“. Als Plattformen transportieren sie die Bedingungen ihrer Produktion und ihrer Nutzung. Sie wecken Begehrlichkeiten, wenn sie vorhanden sind und wenn sie notwendig sind. Indem sie die Arbeit „Was ich zu Hause gerne hätte“ nennt, konstruiert Haegue Yang „leihweise“ mit ihrem Ensemble eine Situation, die auf die soziale Komponente des Künstlertums Bezug nimmt. Darüber hinaus spielt Yangs Konzept mit den Erwartungen an die Kunst, lässt sie gar fast ins Absurde gleiten. Unscheinbar bis aufs Äußerste, weil sie eigentlich keinen Geschmack, sondern nur ihre Funktion ausdrücken, sind die beiden Möbel platziert, die Yang nicht einmal selbst baut: Objets loués.

Damit weicht sie vollkommen vom althergebrachten Bild des Künstlers als handwerklicher Könner ab. Doch fügt sich auch der Betrachter in den Plan. Im Aufprall seiner Erwartungen mit dem Gebotenen, beginnt er seine vorgefassten Annahmen zu überprüfen und sich mit den Bedingungen der Entstehung dieser Kunst zu beschäftigen.

Wiesbadener Tagblatt vom 14.7.2001

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