Julia M. Kunin: Cephalopoden 1 | Ausstellung im Bellevue-Saal Wiesbaden

Julia M. Kunin: Cephalopoden 1

Cephalopoden | Ausstellung Stipendiatin

16. November bis 26. November 2000
Julia M. Kunin, Brooklyn | 
Objektkunst

Stipendiatenausstellung

Alles Rot.
Rot als Symbol für jene Art von Leidenschaft zwischen Erotik, Aggression und Kitsch. Rot wie ein Plüschsofa im Bordell. Sexuelle Assoziationen weckt auch die vielblättrige und geöffnete Blütenform von zwei Objekten der Amerikanerin Julia M. Kunin. Nichts erinnert an die Reitsättel, um die es sich dabei in Wirklichkeit handelt. Die Sport-Utensilien hat sie mit Wildleder überzogen, aufgeklappt und ihnen so eine völlig neue Bedeutung zugeordnet.

Julia M. Kunin ist die diesjährige Stipendiatin, die auf Einladung des Bellevue-Saal-Vereins und mit Unterstützung der Stadt vier Monate in Wiesbaden lebt und arbeitet.Die Ausstellung im Bellevue-Saal, mit der ein solcher Aufenthalt traditionsgemäß endet, wurde gestern Abend eröffnet.

Die verfremdeten Sättel dienen gewissermaßen als Anschauungsmaterial. Sie gehören zu den früheren Arbeiten der 39-jährigen und sind inhaltlicher und formaler Ausgangspunkt für die Kraken, die nun in Wiesbaden entstanden sind. Ob in Leder gestanzt oder in Glas gegossen: Auch diese Kopffüßler oder wissenschaftlich: „Cephalopoden“, die der Ausstellung den Titel geben, sind Metapher für (Zwei-)Geschlechtlichkeit und sinnliches Empfinden. Denn das zu Unrecht mit dem Monster-Image behaftete Meeresgetier trägt seine fünf Sinne quasi auf allen Stellen des amorphen Körpers, erklärt die Künstlerin, die sich mit ihrem Thema auch theoretisch beschäftigt. Kraken also: Zum einen auf DIN-A4-großem, ledernem und rot übermaltem Untergrund – in Serie an die Wand gehängt. Zum anderen – und beeindruckender – in Form von kleinen, ebenfalls roten Glasobjekten, die Kunin als Solitäre, paarweise oder in ellipsenförmigen Gruppen an die Wand angebracht hat.

Wie ein buchstäblich roter Faden ziehen sich die Themen Sexualität und Geschlechtlichkeit durch das Schaffen von Julia M. Kunin. Von diesem, durch die Kunst ja abgearbeiteten Feld hebt sie sich ab, in dem sie mit ihren zwittrigen Kraken die männlich-weibliche Polarität auflöst. Dies wird verstärkt durch die gläserne Beschaffenheit der Mini-Skulpturen. So wirken sie leicht und transparent. Überhaupt lebt Kunins Kunst auch von den ungewöhnlichen Materialien. Der Amerikanerin gelingt, woran viele Künstler scheitern: Leder oder Glasvom Charakter des Kunsthandwerklichen und Dekorativen zu befreien.

Katinka Fischer
im Wiesbadener Kurier vom 17.11.2000

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